Ein Hauptanliegen des Freispiels ist es, den Kindern Raum für ihre Phantasieentwicklung zu geben. Sie sollen zweckfrei sie selbst sein dürfen. Sie dürfen im Spiel erlebte Dinge verarbeiten, sie sollen lernen mit Konflikten umzugehen, die im menschlichen Miteinander entstehen. Die Kinder können im Freispiel mit fast allem was es im Gruppenraum gibt, spielen und bauen. Es steht viel Spielmaterial zur Verfügung: Tische, Stühle, Bretter, Tücher, Hölzer, Wurzeln, Körbe, Puppen und einiges mehr. Durch das wenig vorgefertigte Spielmaterial sind der Phantasie des Kindes keine Grenzen gesetzt.
Während des ganzen Freispiels, während des ganzen Tages, stehen die Kinder unbewusst in Lernprozessen. Viele Erfahrungen machen sie im sozialen und emotionalen Bereich, in der Begegnung mit dem anderen Menschen, mit all seinen Eigenheiten und Stimmungen. Dies bedeutet, dass man lernt Rücksicht zu nehmen, abzuwarten, zu verzichten, den anderen in seiner Andersartigkeit anzunehmen. Es kann aber auch bedeuten, dass ein Kind lernt sich abzugrenzen, dass es lernt nein zu sagen, und lernt, seine Interessen anderen gegenüber zu vertreten.
Auch beim Häuserbauen im Freispiel mit verschiedenen Materialien macht das Kind wichtige Erfahrungen im Bereich der Statik und der physikalischen Gesetze. Hält mein Haus noch, wenn ich diesen Stuhl auf das Brett stelle oder wird das Ganze zu einseitig? Wie schräg darf eine Straße aus Brettern gebaut werden, damit die Fahrzeuge fahren und nicht kippen? All dies geschieht mit dem ständigen Einsatz und der Schulung von Grob- und Feinmotorik. So könnte man endlos Beispiele bringen, die deutlich machen, dass das Kind ständig in einem Lernprozess ist. Auch bei der Verrichtung der alltäglichen Dinge, z.B. Essen zubereiten, Geschirr abspülen, fegen, Löffel abzählen, Tisch decken, oder Brötchen schmieren „lernt“ das Kind.
Diesen ganzen sogenannten Lernprozessen im Waldorfkindergarten liegt jedoch ein wichtiger Gedanke zugrunde: Das Kind lernt immer, bei jeder Tätigkeit, die es tut und bei der es zuschaut. Die Lernprozesse müssen jedoch immer für das Kind durchschaubar und nachvollziehbar sein, d.h. keine „künstlichen Projekte“, die aus dem Zusammenhang gerissen wurden.